Es gibt noch echte Abenteuer

von RCN

Es gibt noch echte Abenteuer – Wanderfahrt auf der Sorge/Eider

04.08.2017

Abriggen der Boote und Mannschafteinteilung.

‘Abriggen‘ ist eine bekannte Aktivität, die für Einsteiger zunächst einmal ungewohnt und nicht überschaubar erscheint. Mit der Zeit merkt man jedoch, dass hier Profis am Werk sind, die schon mehrere Wanderfahrten in ihrem Fahrtenbuch haben. Das vermittelt dem Neumitglied ein gutes Gefühl von Sicherheit. Ganz nach dem Motto: Alles wird gut. Die Konversation ist in diesem Prozess eher eintönig. Eine häufig gehörte Frage: „Wer hat den 10er Schlüssel?“ Und eh‘ man es sich versieht, sind 4 Boot auf dem Trailer. Bruno, Hugo, Mühbrook und die Lötzen. Dann wird noch schnell ein Reifen aufgepumpt, eine kurze Mannschaftsbesprechung und ab nach Hause. Einige Kohle-hydrate bunkern und reichlich schlafen. Sollte es möglich sein, will ich morgen die komplette Strecke rudern. Im letzten Jahr war mein Akku bei der „Eider-Tour“ nach 25 Kilometern fast leer. Der rettende Hinweis kam damals von unserem Bootsobmann Thomas: „Du kannst jetzt die letzten 10 Kilometer steuern.“

05.08.2017

Heute geht es also los. Eine gewisse innere Unruhe hat mich nicht unbedingt durchschlafen lassen. Was ist, wenn es morgen‚ wie aus Kübeln schüttet‘? In den letzten Tagen hatten wir eher unbeständiges Wetter. Wir werden sehen. Um 07.30 Uhr hole ich Hae Ok und Alissa ab. Rechtzeitig sind wir am verabredeten Treffpunkt. Auch unsere beiden Gäste aus Elmshorn sind schon vor Ort. Und dann kommt auch schon Frank mit dem Trailer und den 4 Booten. Schon beachtlich, wie gekonnt er mit dem Monstrum umgeht. Ruckzuck steht der Trailer in der Nähe der Einlegestelle und wir können die Boote abladen und aufriggen. Und dann beginnt für uns alle das Abenteuer in seiner ganz konkreten Art. Ein Kreuzfahrer auf der AIDA würde an dieser Stelle einen komfortablen Steg erwarten mit dem entsprechenden Personal, dass dann die Boote passgenau ins Wasser legt. Weit gefehlt. Wir haben es hier mit einer Naturböschung zu tun, die an einer Stelle etwas ausgetreten ist. Man muss sich das in etwa so vorstellen: Einige von den Vielfahrern stehen teilweise bis zu den Knien im Wasser, sacken im Schlick ein und legen so mit Unterstützung die Boote ins Wasser. In diesem Fall in die Sorge. Die Stelle heißt übrigens ‚Sandschleuse‘. Jetzt werden die Boote mit Skulls ausgestattet und dann kommt der Einsteigeprozess der Mannschaft. Ich will das  ‘mal ganz dezent andeuten: Eine gewisse Gelenkigkeit ist hier von großem Vorteil. Auch hier ist es fast unmöglich, trockenen Fußes in die Boote zu kommen. Einige Schlammpartikel sind auch dabei.

Von den vier Booten startet unser Bruno Rathje an dritter Stelle, nach uns kommt die Mühbrook. Thomas übernimmt als Obmann zu Beginn das Steuer, Alissa ist unsere Schlagfrau, Verena auf 3, Hae Ok auf der 2 und ich im Bug.

Und dann kommt auch schon das erlösende Kommando: „In die Auslage. Alles vorwärts. Und los!!“

Kurz vorher gehen mir noch einmal die Hinweise meiner Trainer durch den Kopf:

# Blätter rechtzeitig aufdrehen

# Blätter sauber setzen

# Erst Beinschub, dann Armzug und umgekehrt

# Handrücken und Unterarm sind eine Linie

# Beine, Oberkörper, Arme und umgekehrt Arme, Oberkörper, Beine…….

# gerade sitzen

# die rechte Hand leicht unter der Linken führen, wobei die Rechte näher am Oberkörper ist

Ich werde mir Mühe geben, die Technik möglichst lange und sauber einzusetzen. Vor uns liegt im ersten Teilstück eine Strecke von ca. 19 km.

Wir sind jetzt etwa 6 Kilometer auf der Sorge unterwegs und biegen dann bei Hohner Fähre in die Eider ein, Richtung Fähre Bargen. Die Sorge ist ein gemütliches Flüsschen. Links und rechts grüne Wiesen, sehr unterschiedliche Zuschauer (Rotbunte), wenig Strömung und absolute Stille. Einziges Geräusch das monotone Skullen unserer Mannschaft. Das fühlt sich alles richtig gut an. Sonnenschein, ´mal bewölkt, ein ständiger Wechsel.

Beim Einbiegen auf die Eider wurde es da schon etwas unruhiger. Wir mussten gegen eine Brise gegenanrudern, die wir aber auch schon aus den letzten Wochen vom Einfelder See gewohnt waren. Bei der Eider haben wir es mit einer sogenannten Bundeswasserstrasse zu tun, d.h. hier gelten besondere Regeln. Die Beschaulichkeit der Sorge ist hier nicht so ausgeprägt vorhanden. Ständig begegnen bzw. überholen uns Motorboote jeden Kalibers. Und da sind dann auch jede Menge Tonnen im Wasser. Grüne und Rote. Auf jeden Fall war es so, dass wir uns in einer ausgeschilderten Strecke von 1700 Metern befanden, wo das Fahren mit Wasserskiern erlaubt ist. Ich hatte das Schild zwar gesehen, mir aber keine Gedanken gemacht, was wohl in den nächsten 5 Minuten passieren könnte. Kommt da doch tatsächlich eine große Motoryacht mit einem Läufer an der Leine an gebrettert und schmeißt eine recht hohe Welle. Das ist dieser typische Moment, wo du wahrnimmst, gleich wird etwas passieren. Aber was? Unsere Steuerfrau Verena hat den Bug sofort in Richtung Welle gedreht und ich habe als Bugmann gewartet, was passiert. Die recht hohe Welle rauschte links und rechts an unserem Boot vorbei und wir nahmen auch einen kräftigen Schluck davon.

Von da an stand das Wasser in unserem Boot quasi bis zu den Bodenplatten. Ganz offensichtlich hatte der Schiffsführer kein Patent oder aber er hat die Lerninhalte seiner Ausbildung nicht mehr parat gehabt: Die Schiffsführer der Zugboote und die Wasserskiläufer müssen Geschwindigkeit und Abstand so einrichten, dass sie bei der Vorbeifahrt weder Personen gefährden, noch die übrige Schifffahrt behindern, noch Anlagen beschädigen. Der Abstand darf deshalb 10 Meter nicht unterschreiten und der Wasserskiläufer hat sich im Kielwasser des Zugfahrzeugs zu halten. Auf dem ziehenden Fahrzeug muss neben dem Schiffsführer eine zweite geeignete Person als Beobachter an Bord sein, der den Wasserskiläufer und die Fahrstrecke beobachtet.

Die Situation war schon grenzwertig. Gottseidank sind wir nicht gekentert und keine Person ist zu Schaden gekommen. Aber es ging mit dem Abenteuer noch munter weiter. Kurze Zeit später, wir waren gerade in einer absoluten ‚Flow-Phase‘, da tat es im gesamten Boot einen gewaltigen Schlag. Wir konnten nicht lokalisieren, woher das Geräusch kam. Jeder hat sofort an seinem Arbeitsplatz geschaut, ob Wasser ins Boot eindringt. Das war nicht der Fall, es ging weiter. Unsere Steuerfrau Verena (mit einschlägigen Lenzpumpenkenntnissen) hatte mittlerweile das Boot komplett trocken gelegt. Für diese Fälle haben wir immer ein mobile Lenzpumpe dabei (Schwamm). Macht sich gut und ist kostengünstig. Verursacht aber unweigerlich Muskelkater in der gesamten Hand.

Wir haben noch ca. 6 Kilometer vor uns und ich merke, dass wir ungefähr 13 Kilometer gerudert sind. Das ist auch immer meine Vorbereitung auf solche Events. 2 Runden auf dem Einfelder See. Ich stelle mich jetzt mental darauf ein, dass sich mein Körper an der einen oder anderen Stelle melden wird. Wo ich nicht mit gerechnet habe, ich bekomme Sitzbeschwerden. Hatte ich so nicht auf dem Zettel. Ich werde sehen, wie ich damit klarkomme. Auf jeden Fall werde ich mir demnächst auch so ein spezielles Sitzkissen für Ruderer besorgen. Den Wasserverlust gleiche ich in den Mini-Pausen aus, die wir öfter einlegen. Ansonsten kann es von mir aus so weitergehen.

Und dann sind wir auch schon an der Anlegestelle in Bargen. Wir waren unterwegs von 10:30 Uhr bis 13:30 Uhr in 3h die 19,4 km von Meggerholm nach Bargen.

Nach einem gelungenen Anlegemanöver erwartet uns hier Matthias (Landkommando). Aufbau und Deko erinnert mich an Rainer Sass „So isst der Norden“. Getränke, Obst, Kuchen von unseren Mädels, usw. Hier kann der Körper Kohlehydrate, Mineralien etc. aufnehmen. Die Idee dazu hatte vor einem Jahr Thomas. Matthias hatte sich spontan bereit erklärt, diesen Job zu übernehmen.

Vor uns liegt noch ein Weg bis zum Ziel von ca. 14 Kilometern. Werde ja sehen, wie sich die etwas längere Pause auf meine kleinen Sitzprobleme auswirkt. Ein wenig ruhen, ein kleines Pläuschchen und in Gedanken schon wieder die Strecke vor Augen, insbesondere die Wasserskistrecke. Wird schon alles gut werden. Thomas hat sich bei dieser Gelegenheit unser Boot einmal genauer angesehen und dabei festgestellt, dass wir tatsächlich bei dem lauten Krach einen Schaden erlitten hatten. Steuerbord im Bugbereich. Das wurde dann sofort fachmännisch, mit „bordeigenen Mitteln“, ausgebessert. Außer unserem Lenzschwamm haben wir nämlich auch Flickmaterial dabei. Kalfatern im 21. Jahrhundert unter zu Hilfenahme von Tape.

Um 14.45 Uhr starten wir dann unseren Rückweg. Vor mir sitzt jetzt Verena. An der Art und Weise, wie sie versucht, ihr Sitzposition individuell zu verändern kann ich erkennen, dass ich nicht mehr der Einzige bin, der an Bord mit dem Rollsitz aus Holz Probleme hat. Ich denke daran, mit welchem Handicap die Wikinger in ihren Langschiffen damals zu tun hatten. Die hatten nämlich keinen Rollsitz und auch keine Ausleger. Die Dolle war in der Bootswand integriert. Daher auch der Name: DOLLBORD. Da spielte sich dann der gesamte Prozess der Kraftübertragung im Oberkörper ab. Und die haben auch recht lange „Wanderfahrten“ gemacht (und ganz nebenbei als erste Amerika erreicht). Jetzt werden es wohl noch 13 Kilometer sein. Am Ufer kann man im Abstand von einem Kilometer entsprechende Steine ausmachen, auf denen eine Kilometerzahl steht. Mittlerweile bekomme ich das Gefühl, dass der Abstand zwischen diesen Markierungen länger wird. Mit meiner Rudertechnik wären meine Trainer sicher auch nicht mehr so ganz einverstanden. Aber das ist mir bekannt. Irgendwann lässt die Konzentration einfach nach. Das werde ich auf Dauer wohl nur durch regelmäßiges Training in den Griff bekommen.

Die Strecke zieht sich hin. Nach Gefühl wird sie eher länger. Aber dann kommt auch schon die Ansage von Thomas: “Noch ca. 500 Meter und wir sind da.“ Am Ende legen wir dann noch mit entsprechender Einweisung durch Frank ein gelungenes Anlegemanöver hin. Hier vermittelt die Anlegestelle einen dezenten Hauch von Karibik. Aufgeschütteter weißer Sand.

Es folgt das übliche Ritual: Boote abriggen und auf den Trailer verladen. Noch ein kurzer Blick auf die Eider und ab geht es wieder Richtung Neumünster. Am Bootshaus werden die Boote wieder aufgeriggt und gesäubert. Hier und da sind doch einige Schlamm- bzw. Sandpartikel mitgekommen. In der Abschlussrunde machen alle Teilnehmer einen rundum zufriedenen Eindruck. Ein spontaner Dank aus der Runde an den Cheforganisator Thomas und an unseren Versorger (Landkommando) Matthias.

Mein Fazit: Ein Tag, den ich nicht vergessen werde. Es gibt sie noch, die Abenteuer und Menschen die sich darauf einlassen.

 

Bericht: Bodo  Fotos: Katja und Bodo

 

Zurück